
Als im Jahre 1997 im Rheinland eine Handvoll Demoszener eine neue Veranstaltung zum Thema kreative Computerkunst ins Leben rufen wollten, konnte noch niemand absehen, dass ihr Weckruf erhört werden würde. Ihre, auf den Namen Evoke getaufte Party, ist mittlerweile die zweitgrößte reine Demo-Party in deutschen Gefilden. Anlaufstelle für Kreativköpfe und Fans jeglicher Art und eines der wichtigsten Events in der Demoszene. Vom 18. bis 20. August ist es in diesem Jahr wieder so weit. Der inzwischen in den Abenteuerhallen in Köln Kalk beheimatete Demotreff feiert seine 20. Aufführung und verspricht, noch spannender, massiver, vielfältiger und besser zu werden, als im Jahr zuvor, als man sich über die höchste Anzahl an Releases bei einer Evoke freuen durfte. Grund genug für uns, die letzten 20 Jahre Revue passieren zu lassen und die Leckerbissen zu beleuchten, die in diesen zwei Jahrzehnten geboren wurden.
20 Jahre Evoke - 20 Jahre PC Demos
Demos, ausgewachsene Schwergewichte die ihr faszinierendes Schauspiel aus Code, Grafik und Musik nahezu ohne Restriktionen vollführen. Viele von ihnen haben wir in all den Jahren auf der Evoke gesehen, einige unvergessliche Momente erleben dürfen. Und alle waren sie mit dabei. Die großen Namen wie Andromeda Software Development, Farbrausch, STILL oder Cocoon. Aber auch weniger bekannte Gruppen wie Subground4 oder (ehemals) Poo-brain. Wir haben brachialen Bildschirmbombast erlebt (Sweet home under synthetic clouds, 2007 / Final Audition, 2005), kunstvolle Experimente die ihr Potential erst im Nachgang entfalten und so zu einem unvergesslichen Erlebnis wurden (Perfect Love, 2005 / Nightscape, 2014). Auch haben wir erkannt, dass Farbrausch durchaus wagemutig beim Design sein können (Momentum, 2007), ASD sich niemals einem visuellen Stil zuordnen lassen (Chameleon, 2009) oder auch 1998 die Dreidimensionalität der letzte Schrei war (The Iceberg). Hier sind unsere Favoriten aus 20 Jahren PC-Demos auf der Evoke:
20 Jahre Evoke - 20 Jahre Schrift in Demos
Es gibt Demos, die klotzen mit aufwändig modellierten 3D-Objekten und knackig scharfen Oberflächen. Oder sie zeigen dem Zuschauer die Schulter des Minimalismus. Doch egal wie sie auch aussehen und gestaltet sein mögen, Buchstaben, Zahlen, Wörter und ganze Sätze finden sich eigentlich immer in ihnen. Meist nur als Randerscheinung, so manches Mal aber als zentrales Element. Zwei Demos, die auf einer Evoke präsentiert wurden, haben uns gelehrt, wie wichtig Schrift in der Demoszene ist. Die Ewigkeit schmerzt machte 2006 den Anfang und ließ Worte und Zeichen auf mannigfaltige Art und Weise rotieren und sicherte sich, völlig zu Recht, einen Platz im Olymp der Ewigkeit für die besten Demos aller Zeiten. Zehn Jahre später setzte Alphabet erneut auf das gezeichnete und gesprochene Wort. Beide Werke unterscheiden sich gravierend voneinander. Beides sind Meisterwerke und zeigen die kreative Ader der Demoszene eindrucksvoll.
20 Jahre Evoke - 20 Jahre Video und Animation
Echtzeit, Echtzeit überall? Keineswegs! Denn für vorberechnete Animationen, Kurzfilme, Echtweltvideos und vieles mehr öffnet die Demoszene gerne ihre Türen. Kein Wunder, dass der Kölner Raum von Elite-Kandidaten dieses Segments immer wieder besucht wurde. Da gab es krasse, aggresive Werke vom Schlag eines Amondó (2004), das mit seiner harten Machart das Adrenalin gleich hektoliterweise durch die Venen pumpt. Oder Animationsfilme wie Egon and Dönci (2003, kompletter Film hier), dessen visuelle Pracht sogar die Logo-Lampe der Pixar Studios vor Begeisterung erstrahlen lässt. Mit dem süßen Noodles (2010) zeigte auch Gaspode sein Können zum ersten Mal auf einer Evoke. Eine Erfolgsgeschichte die bis heute hält und unzählige abwechslungsreiche und grandiose Werke von einem der kreativsten und einfallsreichsten Menschen in der Demoszene hervorbrachte.
20 Jahre Evoke - 20 Jahre Einladungsgenuss
Wer zu einer Party einlädt, verteilt Karten an die Gäste, hängt Flyer aus oder veröffentlicht Anzeigen im Blätterwald. In der Menschenwelt. Die Computer-Nerds der Demoszene bevorzugen jedoch einen anderen Weg. Sie programmieren Demos, die Interessierten Infos und Zeitraum der von ihnen geplanten Veranstaltung näherbringen. So genannte Invitation-Demos. Mit die besten und ausgefallensten Vertreter dieser Zunft wurden für die Evoke-Partys geschrieben, oder auf einer von ihnen veröffentlicht. So haben etwa niedliche, kindgerechte Werke wie die süßen 64k Intros Pocket Safari (2003) und Kings of the Playground (2004) unsere Festplatte besucht. Brachial geniales Effektgewitter zauberten YouShould (2010) oder Invoke (2008) hervor. True Colors (2016) hingegen schlug einen entspannteren, aber nicht minder faszinierenden Weg ein, bevor Pandur und seine Frauengang zeigten, wie stilsicher und abwechslungsreich visuelle Pracht sein kann, zuletzt in 20, der Invitation-Demo zum diesjährigen 20-jährigen Jubiläum der Evoke.
20 Jahre Evoke - 20 Jahre Faszination im Browser
Browser sind dafür da, Webseiten anzuzeigen. Natürlich, aber das war gestern! Auch wenn wir gerne zugeben, dass wir uns jedes Jahr aufs Neue darauf freuen, dem Internetauftritt zur Evoke einen Besuch abzustatten. Zu cool und abgefahren ist immer das Party-Logo, das immer Interpretationsspielraum für Wortspiele aller Art aufgrund des ausgefallenen Designs gibt. Doch wissen wir, dass Browser viel mehr können, als Bilder und Worte zu zeigen. Effektallerlei, ja sogar ausgewachsene Demos werden mittlerweile im Tor zur Internetwelt angezeigt. Mit ein Türöffner für optischen Bombast in Firefox, Chrome und Co. waren die Werke Azathioprine (2011) und 70's (2012) von Altmeister Digisnap, natürlich zum ersten Mal gesehen auf der Evoke. 2016 erst kam dann Analysis, ein dickes Paket aus Musik, Grafik, Effekten und Text, das sowohl auf Computersystemen, als auch mobilen Geräten läuft.
20 Jahre Evoke - 20 Jahre Demos auf Konsolen
Es gibt eine Welt der elektronischen Unterhaltung abseits des Computers. Das wissen wir seitdem Atari das heimische Wohnzimmer mit seinem VCS-System zur Spielhalle mutieren ließ und Nintendo den Weltmarkt mit seinen ersten Geräten überschwemmte. Den Beweis, dass Videospielkonsolen nicht nur zum Zocken da sind, musste einmal mehr die Demoszene antreten. Auf MegaDrive (Overdrive, 2013), PlayStation 2 (Tabula Rasa, 2002), Wonderswan (Finally, 2012) und sogar einem iPod Nano (Nano, 2006) wurden Echtzeiteffekte, schicke Grafiken und dazu passende Musik gezeigt, die richtig rocken!
20 Jahre Evoke - 20 Jahre 64k Intros
Einst galt die Regel, dass ein gespeichertes, leeres Word-Dokument eine Größe von 64 Kilobyte hat. Das ist nicht viel, wird aber zur Lachnummer wenn man hört, dass die Demoszene in eben jener Größe Grafiken, Musik und Effekte von mehreren Minuten Länge zeigen kann. Raffinierte Programmiertricks, Algorithmen, Tools und viel Know-How machen dies möglich. Viele großartige Produktionen haben die Evoke-Veranstaltungen in der Kategorie der 64k Intros hervorgebracht, darunter Akkordarbeit (2000), 905509 (2013), Hologram (2014) oder Scarcity (2015).
20 Jahre Evoke - 20 Jahre 4k Intros
Wer bei 4k automatisch an hochauflösende Videos und TV-Geräte denkt, der hat keine Ahnung. Aber wir sind dafür da, zu helfen. Wir erklären euch, dass in der Demoszene 4k, wie schon bei den 64k Intros, eine Form des Size-Codings ist. Nur eben nochmals um ein Vielfaches kleiner. Ganze 4.096 Byte dürfen Werke in diesem Segment wiegen. Auch hier schaffen es die Künstler, atemberaubende Szenen in dieses minimale Format zu quetschen. Das war schon früher so (Gracchus, 2002 / Anorgatronikum, 2005) und hat sich in Richtung Moderne nochmals deutlich weiter entwickelt (Wishful Twisting, 2013 / Dreamcatcher, 2016).
20 Jahre Evoke - 20 Jahre Oldskool-Power
Nicht alles ist PC auf einer Demo-Party. Den alternativen, sprich "älteren" Plattformen wird nach wie vor gehuldigt. Retro-Computer der Marken Commodore, Atari oder Sinclair haben auf Computer-Festivals wie der Evoke immer einen Platz - und eine eigene Wettbewerbskategorie. So sehen wir immer wieder unglaubliche Dinge auf den alten Kisten, die wir nicht für möglich gehalten haben. Speziell Bauknecht überfallen in Köln immer wieder unsere Sinne und brennen sich dort fest. 2012 haben sie es mit Metamerism für den Commodore Plus/4 geschafft, das Kunststück dann 2014 mit Rocket Science wiederholt.
20 Jahre Evoke - 20 Jahre Musikunterhaltung
Musikwettbewerbe gehören zu Demo-Partys wie der übermäßige Genuss von Bier und Fast-Food. Doch nicht jedes Musikstück wird als einzelne Datei veröffentlicht. Manchmal werden mehrere von ihnen in ein Programm gepackt, das mit ein paar Grafiken und Effekten garniert wird und den Konsumenten einen Mehrwert bietet: So genannte Music Disks. Die mögen mittlerweile rar gesät sein, haben aber in der Geschichte der Evoke definitiv Fußspuren hinterlassen. Hier haben sich insbesondere die Releases von BitFellas ausgezeichnet. 2007 klotzten sie in ihrem Music-Disk-Debüt Solaris gleich satte 500 Tracks rein und spannten ein Menü und schöne Grafiken drumherum, weshalb dieses Monstrum schon fast als Abenteuerspiel durchging. Etwas weniger bombastisch und quantitativ besetzt, dafür aber von gewohnt hoher Qualität war ihr 2008er Release BitJam RMX 001.
20 Jahre Evoke - 20 Jahre Spiele
Die Demoszene und Computerspiele, das passt schon länger zusammen. Zuerst bei den Intros für gecrackte Spiele, später dann, als immer mehr Demoszener den Weg in die Spielebranche fanden. Auf der Evoke tummeln sich deshalb nicht nur Kreativköpfe, die bei großen (Guerilla Games) oder ganz großen Firmen (DICE) arbeiten, Seminare halten (Chris Hülsbeck) oder ganz einfach kleine, feine Spiele programmieren. Genau solche wurden in den Veranstaltungshallen der bisherigen Evokes immer wieder geboren. Das raffinierte Musikspiel Earworm (2011) zählt genauso dazu wie Burnin' Pen 64 (2014). Letzteres läuft auf einem Commodore 64 und baut auf einen selbstgebastelten Touchpen, der am Brotkasten angestöpselt wird. Homebrew kann so cool sein!
(Bobic, 10.08.2017)