115 - Digital Memories Vol.1 (Review) (.de)

Bobic, Tue 27 May 2008

Einst begründeten findige C64-Programmierer ein Phänomen, das heutzutage als die Demoszene bekannt ist. Aufgrund ausgefuchster Programmroutinen und einem hohen Maß an Kreativität in allen Belangen trieben sie den kleinen Brotkasten an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Die DVD Digital Memories Vol. 1 zollt dieser Bewegung Tribut und ermöglicht einen Streifzug durch die wundervolle Effekt- und Designwelt des kleinen Commodore-Rechners.


Die C64-Szene steckt noch immer voller Leben. Regelmäßig erscheinen neue Demos, die ungläubiges Staunen hervorrufen und auf Demo-Parties die Massen in Ekstase versetzen. Viele neue Werke besitzen den Charme, den man bei modernen PC-Demos vergeblich sucht. Wo Photoshop und Co. auch mit wenig Zeichentalent ansprechende Ergebnisse auf den Bildschirm zaubern, ist die Kunst des Pixelns auf dem Brotkasten noch nicht verloren gegangen. Pfiffige Soundkünstler entlocken dem SID-Chip Ohrwurm-verdächtige Melodien, ohne aus einem großen Vorrat vorgefertigter Klänge schöpfen zu können. Und die Programmierer haben es tatsächlich geschafft, texturierte Objekte, Gourad-Shading oder aufwändige 3D-Szenen auch auf Commodores Kleinem salonfähig zu machen. Dank Digital Memories Vol. 1 ist nun ein Streifzug durch die Geschichte der C64-Demoszene möglich, ohne auf die ursprüngliche Hardware zurückgreifen zu müssen. Einzige Voraussetzung: Ein handelsüblicher DVD-Player.


Die Kunst des Pixelns ist nicht verloren gegangen. Digital Memories Vol. 1
beherbergt eine Fülle wunderschöner Grafiken aus der C64-Szene.


18 Jahre Szene-Kult
Wird die Silberscheibe ins Laufwerk eingelegt beginnt die Reise zurück in die Zeit. Das Hauptmenü zeigt, wie auch alle anderen Untermenüs, schöne Pixelgrafiken im typischen, detailverliebten 8bit-Look. Jedoch erinnert die Musikuntermalung nicht direkt an den typischen Bleep-Sound des C64, da hierfür auf Remixes bekannter C64-Soundtracks zurückgegriffen wurde. Inszeniert von bekannten Künstlern wie Jogeir Liljedahl oder Chris Abbott verleihen diese dem Retro-Spektakel einen moderneren Klangteppich, ohne jedoch die typische Atmosphäre vermissen zu lassen.

Unterteilt ist das Hauptmenü in die Kategorien Demos, Graphic-Show und Musicbox, wobei die Demos natürlich den Hauptanreiz dieser DVD darstellen. Nach Auswahl der erstgenannten Option landet man direkt auf dem Demo-Friedhof. Zu den Klängen von Ghosts ´n´ Goblins wird sanft durch dasschauerliche Szenario gescrollt, bevor die Namen von 15 bekannten Demogruppen eingeblendet werden. Hinter jedem Gruppennamen verbirgt sich eine bekannte Demo, die danach über den Bildschirm flimmert. Roland Tögel, der für die Gestaltung von Digital Memories verantwortlich war, hat sowohl einige frühen Werke der C64-Szene auf die DVD gebannt, aber auch die neueren Effektkracher nicht vergessen.

So beginnt die 167-minütige Demo-Show im Jahre 1987 mit Electric Cafe von Ash & Dave und wird vier Jahre später mit Dutch Breeze, dem Meisterwerk von Blackmail mit seinen sensationellen Grafiken fortgesetzt. Von 1993 stammt Tower Power, die Gewinner-Demo der The Party ´93 von Camelot die mit Vektorobjekten jongliert als wäre der Brotkasten für die Berechnung komplexer Algorithmen geradezu prädestiniert, während mit der Byterapers-Produktion Unsound Minds, Deus Ex Machina von Crest oder Cycle von Booze Designs die darauf folgenden Jahre abgedeckt und moderne Effekte wie Texture-Zooms, Plasmaeffekte und vieles mehr gezeigt werden. Den krönenden Abschluss bietet letztendlich Fairlights Boogie Factor, das die letztjährige Assembly-Democompetition gewann.


Augen auf! Zahlreiche Easter Eggs verstecken sich auf der Silberscheibe, darunter die Batmania-Demo!


Audiovisueller Höhepunkt
Hinter der Graphic-Show-Option verbergen sich 140 wunderschöne Szene-Grafiken von Commodores 8-bitter, die zeigen, welch unglaubliches Talent doch Grafiker wie Cyclone, Mermaid oder The Sarge aufweisen. Leider wird diese Slideshow auch als Film abgespult. Die Suche nach einem bestimmten Bild kann deshalb etwas in Arbeit ausarten. Coole SID-Klänge warten hingegen in der Musicbox auf den Zuhörer. Hier tönen die Soundtracks zu legendären Spielen wie Cybernoid 2, Commando, Wizball und vielen anderen in ihrer Originalform aus den Lautsprechern. Übrigens schadet es nicht, wenn man wachen Auges durch die Menüs manövriert. Es sind einige Easter Eggs versteckt, die weiteren Content zu Tage fördern. Klickt man etwa in der Musicbox an eine bestimmte Stelle beim Batman-Soundtrack, wird daraufhin die Demo Batmania von Pretzel Logic gestartet!

Turrican ist auch dabei!
Im Datenbereich von Digital Memories Vol. 1 sind vier Spiele zu finden, die als Disk-Images für C64-Emulatoren wie etwa VICE vorliegen. Es handelt sich dabei um die netten Freeware-Spiele It’s Magic und Metal Warrior 4 von Protovision, sowie Crush – Katakis 2 und dem grandiosen Turrican 3, die beide von AEG/Smash Designs realisiert wurden. Leider werden die dazugehörigen Emulatoren nicht mitgeliefert.

Abgerundet wird das preiswerte Demo-Paket (9,99 Euro) mit einem stilvollen Cover-Artwork, das eine Szene aus Dutch Breeze zeigt. Das achtseitige Booklet enthält leider mehr Werbung als nützliche Informationen. Immerhin wird jede einzelne Demo mit einem Screenshot und einer handvoll Daten vorgestellt. Alles in allem kann man diesen erfrischenden Pixel-Trip also jedem Demofreak ans Herz legen, da viele „Must Sees" der 64er-Szene enthalten sind und die DVD äußerst liebevoll gestaltet ist.

Nachfolger in Arbeit
Zwei weitere Episoden der Digital-Memories-Reihe sind ebenfalls bereits angekündigt. Der zweite Teil wird sich wiederum dem C64 widmen, während der Focus bei Nummer drei auf den Sinclair ZX Spectrum gelegt wird. An dieser Stelle möchten wir außerdem noch Enno Coners und seinem CSW Verlag ein Lob spendieren, da er mit seiner Zeitschrift Go64! Nicht nur das einzig verbliebene Printmag für Liebhaber des Commodore-Rechners publiziert, sondern auch ein Herz für die Anhänger der Demoszene hat. Er hat es ermöglicht, dass das Szenebuch Freax in Deutschland erhältlich ist und SCEEN, das Magazin für digitale Extravaganz, realisiert werden konnte.



(20.03.2006, Bobic)


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