108 - Interview mit Abyss (Shin'en) (.de)

Bobic, Fri 30 May 2008

"Man kann Nanostray bislang als Grafik-Referenz auf dem DS bezeichnen!", meint Bernhard Wodok von Shin'en. Und jeder, der das spektakuläre Shoot'em Up in Aktion gesehen hat, gibt ihm Recht. Was viele nicht wissen: Das Team sorgte einst in der Amiga- und PC-Demoszene unter dem Namen Abyss für Aufsehen. Mehr als 60 Produktionen stammen von den Jungs, die jetzt zu den Größen in der Handheld-Branche zählen.


Auf dem Nintendo DS ist Nanostray derzeit konkurrenzlos. Kein anderes aktuelles Spiel bringt imposantere Bilder auf den Double-Screen des Handhelds. Fantastische 3D-Grafik und spektakuläre Effekte lassen selbst PSP-Besitzer neidisch werden. Zwar ist das neueste Spiel von Shin'en nur ein klassisches Shoot'em Up, dafür aber eines das neben all der Grafikpracht auch mit perfekter Spielbarkeit, einem ausgeklügelten Waffensystem und wunderschöner Musik glänzt. Ab dem 04. November dürfen auch wir Deutschen den Ballerdaumen auspacken, dann nämlich wird das Modul von THQ in Deutschland veröffentlicht.

Die Jahre mit der Freundin
Die Macher hinter diesem Action-Feuerwerk sind in der Demoszene keine Unbekannten. Einst veröffentlichten sie unter dem Namen Abyss zahlreiche Demos, Intros und Music-Disks - überwiegend für den Amiga, später auch für PC. Und wer seine Website mit der URL the-leaders-of-the-eighties.de kennzeichnen darf, der muss in der Tat großartiges vollbracht haben. Den Beweis liefern Amiga-Demos wie High Anxiety, Drugstore oder Wildlife. Legendär ist auch die 1998 veröffentlichte PC-Demo Startrail to Glory, ein Tribut an die Comic-Serie Captain Future. Das letzte Release von Abyss in der Demoszene war 2000 die Music-Disc Disissid 4, eine Kollektion stimmungsvoller SID-Musik.

Den größten Ruhm haben Abyss ihrem Musiker Pink zu verdanken, der im bürgerlichen Leben auf den Namen Manfred Linzner hört. Er gilt als einer der besten Szenemusiker überhaupt und hat sich durch seine grandiosen Demo-Soundtracks und Chip-Tunes selbst ein Denkmal gesetzt. Doch auch die Programmierkunst beherrscht er. Zuerst entwickelte er nur Musikprogramme, allen voran die AHX-Engine, die in stark modifizierter Version auch auf dem GBA und dem DS für perfekt klingenden Sound sorgt und gerne lizenziert wird. Seit 1997 beschäftigt ihn auch die Spieleprogrammierung, die in den Geschicklichkeitsspielen Rise of the Rabbits 1+2 und dem Actionspiel A-Type seinen Anfang nahm. Diese drei Titel entstanden noch auf dem Amiga und waren sensationelle 32 Kilobyte klein, sahen trotzdem gut aus und machten tierisch Spaß.

Vier Münchner im Handheld-Himmel
Es war nur eine Frage der Zeit, bis man sich dazu entschloss das in der Demoszene gesammelte Know-How auch auf kommerzielle Spiele zu übertragen. Die Plattform, die man mit großartigen Titeln versorgen wollte, war zu Beginn der Gameboy Color, da die Spieleentwicklung dort am ehesten mit der Amiga-Szene vergleichbar war. Im Laufe der Zeit schwenkte man auf den Gameboy Advance um, wo man mit den technisch beeindruckenden Shoot'em Ups Iridion 3D und Iridion II den Durchbruch schaffte. Auch das knuddelige Jump'n Run Biene Maja - Süßes Gold entsprang den Händen von Shin'en, wie sie sich mittlerweile nannten.

Nun steht also Nanostray kurz vor der Veröffentlichung. Mit ein Grund, weshalb wir uns mit Bartman und Pink unterhalten wollten, aber natürlich auch um zu erfahren, wie es damals in der Demoszene war.


Nanostray ist technisch und spielerisch ein Meisterwerk auf dem DS.
In Aktion sieht es noch besser aus, wie diese Videos (11MB) zeigen.


4Sceners: Könntet Ihr Euch kurz vorstellen?

Bartman: Shin'en besteht aus folgenden Personen: Bernhard Wodok (Bartman/Abyss), Coder, 29 / Manfred Linzner(Pink/Abyss), Coder/Musiker, 30 / Florian Freisleder (Wintermute/Abyss), Grafiker, 30 / Martin Sauter (Fade1/TRSI), Grafiker, 31.

4Sceners: Wie seid Ihr auf die Demoszene aufmerksam geworden?

Bartman: Das müsste so 1991/1992 gewesen sein, als ich mit einem Schulfreund zusammen den Hardwareprogrammierkurs aus dem Amiga-Magazin entdeckt habe und gleich mitgemacht habe. Natürlich hat man davor schon mal ein paar Crack-Intros gesehen, und dann haben wir mal selber versucht, Intros zu programmieren. So habe ich dann auf der Suche nach einem Musiker auch Pink kennen gelernt, und wir haben dann die Demogruppe Pyrodex gegründet. 1994 hat dann die Demogruppe Abyss Kontakt mit uns aufgenommen, da viele Abyss-Mitglieder in der näheren Umgebung von München wohnten. Dann kam der Plan auf, etwas zusammen zu machen, und da die Abyss-Members nicht Pyrodex joinen wollten, haben wir's einfach umgekehrt gemacht.

4Sceners: Ihr habt unter dem Namen "Abyss" jahrelang Demos für den Commodore Amiga programmiert. Was war in dieser Zeit euer schönstes Erlebnis? Und natürlich auch: Was war das Schlimmste?

Bartman: Das schönste waren natürlich immer die Demo-Parties, auf denen wir auch mal was gewonnen haben. Ich denke mal, auf The Party 1997/1998 und Mekka & Symposium 1998 haben wir die meisten Preise eingeheimst. Das war natürlich schon cool.
Wir hatten natürlich auch Reinfälle, z.B. die Saturne Party 1997, als 10 Stunden lang der Strom ausfiel, und alle Competitions gecanceled wurden. Das war natürlich nach der langen Fahrt nach Paris schon eine Enttäuschung.

4Sceners: Auch für MS-DOS habt ihr einige wenige Sachen veröffentlicht. Was war der größte Unterschied zur Amiga-Entwicklung? War die Sache einfach oder schwerer?

Bartman: Nachdem ich meinen Amiga 4000 Mitte 1996 verkauft habe, und mir einen Pentium-133 PC zugelegt habe, war es natürlich erstmal interessant, auf dem PC ein Demo zu programmieren, im Vergleich zum Amiga war jetzt viel mehr Grafik- und Prozessor-Power da. Das machte es natürlich erst mal einfacher, eine 3D-Engine zu programmieren. Andererseits ist MS-DOS-Programmierung auf Grund von vielen Eigenheiten und Beschränkungen eine richtig eklige Sache. Das wurde dann eigentlich erst unter Windows 95 und DirectX wieder besser.


Links: Das bislang letzte Werk von Abyss für die Demoszene. Die Music-Disk Disissid 4 erschien 2000 für PC.
Rechts: Mit der Amiga-Demo Wildlife zeigte Pink 1998 seine Programierkünste.


4Sceners: Inwiefern hat sich euerer Meinung nach die Szene über die Jahre hinweg verändert? Was findet ihr gut daran, was schlecht?

Bartman: Zu Amiga-Zeiten war es immer so, dass Demos den Spielen in technischer und grafischer Hinsicht weit überlegen waren. Das kann man leider seit einigen Jahren auf dem PC nicht mehr sagen, und die PC-Demos konnten häufig mit der rasanten Hardware-Entwicklung nicht mithalten. Heutzutage muss man bei vielen Demos schon sagen, "das habe ich aber in dem und dem Spiel schon schöner gesehen". Da hilft natürlich die Zurückhaltung, neue Technologien wie Pixel- und Vertex-Shader, zu unterstützen, auch nicht gerade. Andererseits ist es immer noch überraschend, dass doch noch etliche gute Demos rauskommen. Wenn man sich mal die Gewinner der großen Demo-Parties anschaut, dann ist da doch noch einiges dabei, wo man sagt, "das ist ja richtig gut", wenn man es denn auch auf seiner Hardware zum Laufen bekommt.

4Sceners: Welche sind eure Lieblingsdemos? Und warum?

Bartman: Viele fallen mir jetzt gar nicht mehr ein, deshalb nur eine kleine Auswahl: Nexus 7 von Andromeda (Amiga 1200, The Party 1994). Das kann man sich heute noch anschauen, und fragt sich, "wie haben die denn das nur gemacht." Arte! von Sanity (Amiga 500, The Party 1993): Super Grafik, tolle Musik + Synchronisation. We Cell von Kewlers (PC, Assembly 2004): Wahnsinn, was man mit einer "einfachen" Partikel-Engine so machen kann.

4Sceners: Inwiefern hat euch eure Demo-Erfahrung geholfen, in der Spielebranche Fuß zu fassen?

Bartman: Dadurch waren wir in technischer Hinsicht natürlich jetzt schon sehr erfahren, und wir konnte durchaus für einige "Wow"-Effekte bei den Publishern sorgen, was uns dann auch half, z.B. "Iridion 3D" zu verkaufen.

4Sceners: Warum habt ihr euch dafür entschieden, Spiele für Handheld-Systeme von Nintendo zu entwerfen? Wird es irgendwann auch Konsolen- oder PC-Versionen eurer Games geben?

Bartman: Durch unsere Team-Größe ist es einfach nicht möglich, große Konsolen- oder PC-Spiele zu entwickeln. Da bieten sich einfach Handhelds an, weil das noch ein überschaubarer Aufwand ist.

4Sceners: Bleibt Ihr Nintendo treu oder habt ihr eventuell auch die PSP ins Auge gefasst?

Bartman: Wir werden natürlich auch in Zukunft DS-Spiele entwickeln, sind aber auch sehr daran interessiert, für PSP Spiele zu produzieren.


Iridion II gilt als eines der besten Shoot'em Ups für den GBA. Der brillante Soundtrack erschien sogar auf CD!
Zwei Trailer (15MB) mit Spielszenen aus Iridion II lassen sich hier herunterladen.


4Sceners: Ihr habt kürzlich Nanostray für den DS fertig gestellt. Was hebt dieses Spiel von anderen Spielen dieses Genres ab?

Bartman: Da wäre natürlich zuerst mal die technische Seite. Bis jetzt denke ich, dass man Nanostray schon als Grafik-Referenz auf dem DS bezeichnen darf. Dann haben wir noch ein ausgefuchstes Scoring-System und das WorldRanking-Feature, bei dem man seine Highscores auf www.nanostray.com veröffentlichen kann, und seine Scores mit denen von Tausenden Nanostray-Spielern aus der ganzen Welt vergleichen kann.

4Sceners: Shin'en hat eine Tendenz zu rasanten Shoot 'em Ups im japanischen Stil - was fasziniert euch so an diesem Genre?

Bartman: Wir sind der Meinung, dass der Großteil an guten und innovativen Spielen aus Japan kommt. Daher betrachten wir unsere Spiele auch zum Teil als Hommage an die japanischen Vorbilder. Leider erscheinen ja in letzter Zeit nur sehr wenige Shoot 'em Ups, daher ist es natürlich für uns einerseits eine Chance, aber auch eine Herausforderung, ein gutes Shoot 'em Up zu produzieren.

4Sceners: Ihr habt damals für den Amiga die AHX-Sound-Engine geschrieben, die mittlerweile auch für GBA, DS und N-Gage erhältlich ist. Was zeichnet diese Musik-Engine gegenüber anderen aus?

Bartman: Im Grunde genommen wurde die Sound Engine für jede Plattform komplett neu designed und daran angepasst. AHX war für Amiga, und wurde mit einem nur geringfügig modifizierten Editor für Game Boy Color als GHX benutzt. Die GBA-Engine GAX lief im Vergleich zur GBA-Referenzengine MusyX wesentlich performanter, und durch spezielle Features im neuentwicklten PC-Editor konnte eine sehr hohe Qualität erzielt werden. Die N-Gage-Engine NAX ist im Endeffekt nur eine Portierung von GAX. Für die DS-Engine DSX haben wir wieder einen neuen PC-Sequencer-Editor geschrieben, der sehr kompakte Daten für die in die DS-Hardware eingebaute Sound-Engine erzeugt. Und natürlich kommt es immer darauf an, die Editoren gut auszunutzen und gute Musik zu komponieren. Ohne gute Musik hilft die ganze Engine nicht, und durch die maßgeschneiderten Editoren/Engines konnte das alles verwirklicht werden.

4Sceners: Manfred, du bist sowohl für den Programmcode, als auch für die Soundtracks in euren Spielen verantwortlich. Was davon macht dir mehr Spaß?

Pink: Es hält sich in etwa die Waage. Das schöne an der Musik ist, dass sie jedem zugänglich ist, von den Programmierkünsten erfährt normalerweise nie jemand.

4Sceners: Welches deiner Musikstücke empfindest du als das Beste?

Pink: Am liebsten mag ich eigentlich den Song im Abspann zu Iridion 3D. Der hat genau die richtige Mischung aus Freude (weil man das Spiel geschafft hat) und ein bisschen Trauer (weil das Spiel nun vorbei ist).

4Sceners: Als Chris Hülsbeck die Soundtrack-CD zu euerem GBA-Spiel Iridion II gehört hat, soll er angeblich gesagt haben, dass ihm die Musik sehr vertraut vorkäme...

Pink: Das kann ich gut verstehen. Sowohl er als auch wurden sehr von Vince DiCola inspiriert, einem recht unbekannten Komponisten der hauptsächlich in den 80ern ein paar Filmscores geschrieben hat.

4Sceners: Interessiert euch noch, was heutzutage in der Demoszene passiert?

Bartman: Ich schaue öfters auf die Demoszene-Website www.pouet.net und schaue mir regelmäßig die Winner-Productions der aktuellen Demoszene-Parties an. Wir haben auch einen monatlichen Münchner Szene-Treff.

4Sceners: Könntet ihr euch vorstellen, irgendwann wieder einmal eine Szenedemo zu veröffentlichen? Beispielsweise für den GBA oder den DS?

Bartman: Dazu fehlt uns leider die Zeit. Da sind wir mit der Spieleproduktion schon genug ausgelastet. Aber so eine Idee geistert immer mal wieder durch unsere Köpfe

4Sceners: Wird der DS eurer Meinung nach eine ähnlich beliebte Plattform für die Demoszene werden, wie es der GBA bereits ist? Könnte uns eventuell der Touchscreen eine Art von interaktivem Szenedemo ermöglichen?

Bartman: Demos sind ja normalerweise nicht-interaktiv, aber ich denke mir, dass der DS für die Demoszene interessant sein könnte, weil er jetzt 3D-fähig ist.

4Sceners: Wir danken für das Gespräch!



Manfred "Pink" Linzner ist ein begnadeter Musiker. Hier gibt es
Hörproben aus Nanostray, Iridion II und alten Amiga-Zeiten,
die problemlos mit Playern wie WinAmp abspielbar sind.
Nanostray - Hibashira Plains
Iridion II - See the Sun burn
Demo-Musik - diverse Titel



(28.09.2005, Bobic)


this content item is from BitFellas
( http://www.bitfellas.org/e107_plugins/content/content.php?content.1201 )


Render time: 0.0767 sec, 0.0218 of that for queries. DB queries: 20. Memory Usage: 995,504b