106 - Evoke 2005: Party-Report (.de)

Bobic, Sat 31 May 2008

Die Evoke mausert sich zu einer der beliebtesten Demo-Parties. Eine perfekte Party-Location, coole Stimmung und überraschend viele Releases, inklusive einer Killer-Demo von Plastic, dürften dafür sorgen, dass im nächsten Jahr noch mehr Besucher den Weg nach Köln suchen werden. Auch wir spielten – nach dreijähriger Party-Abstinenz - mal wieder Astronaut und waren vor Ort. Unsere Eindrücke von der in diesem Jahr unter dem Motto „The Space Odyssey“ stehenden Veranstaltung möchten wir euch an dieser Stelle schildern.


Samstag, 26. August, um 5 Uhr morgens. Ein Bayer macht sich auf den Weg nach Köln um dort eine närrische Zeit zu erleben. Ziel ist die Evoke 2005, eine Demo-Party mitten im Herzen der Stadt. Endlich mal wieder Szeneluft schnuppern, nette Talks mit anderen Jecken aus dieser Untergrundbewegung führen und natürlich die neuesten Demos sehen, dafür nehme ich die 520 Kilometer lange Strecke gerne auf mich. Zwar hatte die Party bereits einen Tag zuvor einen Raketenstart hingelegt, aufgrund diverser anderer Verpflichtungen konnte ich mich aber erst jetzt in mein Space-Mobil zwängen und über die deutschen Autobahnen düsen. Verpasst habe ich relativ wenig. Freitags stand nur die obligatorische Eröffnungszeremonie, eine von Lotek Style präsentierte Atari-Demoshow und ein Live-Konzert der Band Ultrasound auf dem Programm, was bei den Besuchern sichtlich gut ankam. Letztendlich wurde um Mitternacht der erste Tag mit einer von Dipswitch zusammengestellten Vorführung beeindruckender Demos für die Gameboy-Familie beendet.

Vorwurf: Kommerz
Ein kleiner Zeitsprung zeigt, dass es mittlerweile kurz nach 10 Uhr morgens ist. Das 4Sceners-Raumschiff hat dank der perfekten Beschreibung der Reiseroute auf der offiziellen Evoke-Website den Raumhafen Vulkanhalle sicher erreicht. Die Party-Location, ein altes Fabrikgebäude, macht einen todschicken Eindruck und präsentiert sich in bestem Zustand. Am Eingang sitzt bereits ein sichtlich gut gelaunter Tobias „XXX“ Heim, seines Zeichens Big Boss der Demogruppe Haujobb und zugleich Vorstandsmitglied beim Verein Digitale Kultur e.V., dem Ausrichter der Evoke 2005.


Wunderschön und einfach die perfekte Party-Location: Die Vulkanhalle im Herzen Kölns.


Drei Jahre ist es her, dass wir uns zuletzt gesehen haben, umso mehr hatten wir uns zu erzählen. Ein Thema, das uns Beiden immer wieder zu schaffen macht, ist die angebliche Kommerzialisierung der Szene. Einige wenige negative Stimmen kommen auf, wenn die Demoszene in kommerzielle Welten hineinschnuppert. Der Digitale Kultur e.V. hat etwa dieses Problem, wenn Sie die Kunstwerke der Demoszene auf Spielemessen wie der Games Convention präsentieren. Wir von 4Sceners.de müssen uns Vorwürfe gefallen lassen, dass wir angeblich mit der Kreativität andere Leute Geld verdienen. Dabei scheffeln wir mit 4Sceners.de keinesfalls Millionen, sondern betreiben dieses Projekt völlig unentgeltlich, einfach um die fantastische Arbeit der Demoszene einem breiteren Publikum zu präsentieren. Denn immerhin profitiert auch die Games-Branche von der Arbeit der Szene, was sich an zahlreichen Demokünstlern ablesen lässt, die mittlerweile an aktuellen Computer- und Videospielen arbeiten. So ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass Intel und ATi als Hauptsponsoren der Evoke fungierten und Intel-Programmierer Jonathan Story in einem Seminar Näheres über die Threading-Technologie erzählte.

Ein Novum im Blätterwald
Ein anderer Grund, warum ich unbedingt die Evoke live miterleben wollte, war die offizielle Einführung eines neuen Print-Magazins: SCEEN - magazine for digital extravaganza, so der Titel des komplett in Englisch verfassten Lesestoffs, berücksichtigt ausschließlich Themen, welche die kreativen Möglichkeiten am Computer in den Mittelpunkt rückt. Nicht nur die Demoszene stellt dabei ein zentrales Thema dar, auch Netlabels (Plattenfirmen, die meist kostenlos am Computer erzeugte Musik vertreiben), Machinima (mithilfe von Spiele-Engines wie der von Doom 3 erstellte Kurzfilme) oder VJing (DJs, die ihre Club-Auftritte mit effektreichen Visualisierungen an den Wänden der Tanzpaläste illustrieren) werden behandelt. Begleitmaterial zu den im Heft besprochenen Themen findet sich außerdem auf der beigelegten DVD. Wir werden in Kürze die Erstausgabe dieser viel versprechenden Zeitschrift näher unter die Lupe nehmen.

Nach dem ersten Durchblättern der Ausgabe machte sich bei mir jedoch ein klein wenige Enttäuschung breit. Auch ich hatte einen Artikel für SCEEN geschrieben, abgedruckt wurde er jedoch nicht. Das Thema solle noch weiter ausgebaut werden, erfuhr ich kurze Zeit später, als mir Tobi einen gewissen Hakan Toepper vorstellte, der einer der Herausgeber der Zeitschrift ist. Hakan entpuppte sich als supernetter Kerl mit interessanten Ansichten und Visionen. Er war es auch, der mich kurze Zeit später dem Chefredakteur Alexander Scholz vorstellte. Alex und ich arbeiteten eigentlich schon einige Jahre zusammen. Er als Layouter für diverse Publikationen, ich als freier Redakteur bei den Zeitschriften Mac Life und Amiga Plus. Persönlich hatten wir uns in all den Jahren jedoch noch nicht getroffen. Die Evoke verbindet eben und führt Menschen zueinander.

Irgendwie hatte ich mir Alex größer vorgestellt, und nicht als ein schmächtiges Kerlchen, das jedoch vor Energie und Tatendrang geradezu sprühte. Wir verbrachten in den zwei Tagen viel Zeit miteinander, führten angeregte Diskussionen und saugten gemeinsam mit Hakan die teils beeindruckenden Bilder- und Klangteppiche der gezeigten Demos und Intros vor dem Bigscreen in uns auf. Ein Phänomen zeichnet Alex jedoch besonders aus. Egal wie viele Bier er bereits intus hat und wie schwankend sein Gang auch sein mag, sobald das Thema auf sein Baby SCEEN kommt, entfleuchen seinem Mund geradezu euphorische und professionell vorgetragene Sätze, mit denen er selbst in diesem Zustand noch Sponsoren gewinnen könnte. Seine, mit reichlich Applaus versehene Bühnenpräsentation von SCEEN war dafür ein eindeutiger Beweis.

Den kenn ich doch!
Viele alte Bekannte traf ich bei meinem Streifzug durch die von toller Stimmung durchzogene Halle der Raumstation Evoke. Ghandy, Chef-Editor des Diskmags Jurassic Pack und zugleich Urgestein der Szene, war einer davon. Der eingefleischte Amiga-User hatte natürlich seinen Kultrechner mit dabei und unternahm darauf immer wieder Exkursionen in die beeindruckende Welt der Amiga-Demos, die neugierig von umherspazierenden Scenern unter die Lupe genommen wurden. Auch mit den Jungs von Moods Plateau ergaben sich interessante Gespräche – auch über eine baldige Kooperation. Völlig überrascht war ich jedoch, NoName/Haujobb auf der Evoke zu treffen. Er hatte damals die Amiga-Demo für mein vorheriges Web-Projekt Back2roots.org programmiert und auch ihn hatte ich seit mehr als drei Jahren nicht mehr gesehen. Wie er erzählte, studiert er mittlerweile in Nottingham, England, war jedoch gerade in Deutschland zu Besuch und wollte sich dieses coole Szene-Event nicht entgehen lassen.

Natürlich tummelte sich reichlich Szeneprominenz im Kölner Raumhafen. Egal ob Chaos, Ryg oder KB von Farbrausch, Bonzaj und Xenusion von Plastic, der legendäre Irata von T.R.S.I. oder Scamp/Vacuum, der Main-Organizer der Breakpoint – sie alle hatten ihren Spaß in Köln, genauso wie die überraschend zahlreich angereisten Vertreter des weiblichen Geschlechts. Da sich auch das Wetter von seiner sonnigsten Seite zeigte, tummelten sich am Samstagnachmittag etliche Besucher im Freien, genossen das ein oder andere Bier und führten angeregte Diskussionen. Im Inneren wurde an den mitgebrachten Rechnern fleißig gechattet, programmiert und sonstiger Unfug getrieben, während man sich in einer extra eingerichteten Schlafecke von den Strapazen erholen konnte – sofern man das benachbarte Getöse ignorieren konnte. Dort fand sich auch die Installation von „The 10th Room“, einem von Scenern entwickelten Projekt, das die Möglichkeiten des interaktiven Kinos ausloten soll. Mithilfe von Joypads konnte man verschiedene Cursor über eine Leinwand steuern, die bei gegenseitiger Berührung kurze Videoclips auslösten.


Gleich startet die Demo-Compo, das Highlight einer jeden Szeneparty.
Vor dem Bigscreen versammelt sich die Effekt-hungrige Meute.


Wettkampfzeit
Was ist am wichtigsten auf einer Demo-Party? Ausreichend Bier? Die Stimmung? Gutes Essen? Bestimmt spielen diese Faktoren eine Rolle, aber wahrscheinlich sind es die einzelnen Demo-Wettbewerbe, die elektrisieren. Genau da hatte die Evoke einiges zu bieten. JCO gewann etwa gleich zwei Musikwettbewerbe (Mp3/Ogg und Multichannel). Xenusion konnte sich mit seinem Bild „Oracle“ bei den Pixeled Graphics durchsetzen und bei den Wild-Demos gewann der grandios inszenierte Stop-Motion-Film „Freilandeier“, der zwei rollende Hühnergeburten auf der Flucht zeigt.

Fünf Beiträge hatte die 64k-Intro-Competition aufzuweisen, wobei die Gruppe Kakiarts mit „Rastro“ aufgrund einer interessanten Rendertechnik und einigen wirklich guten Ideen völlig zu Recht gewann. Eine solche Produktion hatte man von dieser bislang eher wenig überzeugenden Gruppe nicht erwartet. Gleich neun Einsendung gab es bei den 4k-Intros. Hier fand sich Calodox ganz oben auf dem Treppchen. Ihr „Anorgatronikum“ getauftes Werk wirft eine ganz im Wireframe-Look gehaltene Fabrik auf den Bildschirm, deren Linien mit einem interessanten Leuchteffekt versehen sind. Tron lässt grüßen. Alleine aufgrund dieses sensationellen Teils spielte es beim Publikum letztendlich keine Rolle mehr, dass der 4k-Wettbwerb um satte sieben Stunden verspätet anfing. Solche Delays gehören einfach zu jeder guten Demo-Party, was von den Organizern auch mit einem lustigen Spruch kommentiert wurde.

Das absolute Highlight stellte selbstverständlich die Demo-Competition dar. 14 Beiträge traten gegeneinander an. Die polnische Gruppe Plastic verwies dabei, wie bereits auf der Breakpoint, die gesamte Konkurrenz auf die Plätze. Ihr Meisterwerk „Final Audition“ lässt nahezu alle in diesem Jahr veröffentlichten Demos bezüglich der Technik alt aussehen. Ein Objekt- und Detail-Overkill, der mir persönlich optisch zwar hervorragend gefiel, jedoch beim Design und der Musik eindeutiges Verbesserungspotential hätte. Smash Designs belegten mit ihrem „Yab3dfd“ den zweiten Platz. In ihrem typischen Stil lassen sie die Kamera etwas uninspiriert über einige mit herrlichen Texturen verzierte 3D-Szenarien flitzen. Zwar gibt es noch einige andere Parts zu sehen, darunter eine Art Laserkino wie aus dem Europapark in Rust, gezeigt wurden diese coolen Ideen leider viel zu kurz.


Final Audition von Plastic gewann mit großem
Abstand den Demowettbewerb auf der Evoke.


Bronze ging an die meines Erachtens nach beste Demo, „Perfect Love“ von LKCC. Grafiker und Designer Pixtur hat hier wieder alle Register seines Könnens gezogen. Farbwahl und die Abstraktion der Objekte vermitteln einen faszinierenden Bilderrausch, während Sires grandioser Elektrosoundtrack aus den Boxen donnert. Enttäuschend war jedoch, was Farbrausch auf der Evoke ablieferte. Ihr viertplaziertes „fr-046: basso continuo“ überzeugte vielmehr mit der Tatsache, dass der Grafiker CP auch Musik machen kann, als mit neuen Ideen. Erneut ist auch diese Produktion einfach nur eine typische, mit .werkkzeug erstellte Demo, wie sie schon zuhauf von Farbrausch-Grafikern im Alleingang entwickelt wurde. Auch die zweite Farbrausch-Demo war eher enttäuschend. „fr-047: malpasset“ entpuppte sich als Slideshow. Zwar ein sehr stimmungsvolles, aber eben auch lebloses Experiment.

Fazit
Es war eine tolle Veranstaltung, in der die Ausrichter wirklich alles versucht haben, um die geifernde Demo-Meute, immerhin waren über 300 Leute zugegen, bei Laune zu halten. Kaffee und Mineralwasser gab es umsonst, an öffentlichen Terminals konnten auch Besucher ohne mitgebrachten Computer im Internet surfen, die Toiletten und auch der gesamte Veranstaltungsort war sauber, ein Catering-Service sorgte für angemessene Verpflegung abseits der sonst auf solchen Parties üblichen Imbissbuden und dass es so viele, noch dazu herausragende Veröffentlichungen gab, setzte allem die Krone auf. Übrigens sendete Demoscene.tv permanent live von der Party und die gesamte Veranstaltung konnte per Video-Streaming im Internet verfolgt werden. Für mich steht auf jeden Fall bereist fest: Vulkanhalle, ich komme wieder!

(01.09.2005, Bobic)


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