227 - Walter Ruttmann - Erschaffer der ersten "Demos" (.de)

Bobic, Sat 24 Mar 2012

Deutschlands Filmemacher mit einem Faible für abstrakte Kunst experimentierten in den 1920er Jahre gerne mit Lichtquellen, Farbmustern und geometrischen Formen. Über Oskar Fischinger und seine wundersame Welt der Filme haben wir bereits berichtet. Nun widmen wir uns den Werken von Walter Ruttmann, auf die wir dank Pouet.net User Orion_ gestoßen sind. Bereits ein Jahrzehnt vor Oskar Fischingers berühmter "Komposition in Blau" schuf Ruttmann mit seiner "Lichtspiel"-Reihe ein faszinierendes, abstraktes Erlebnis, das man durchaus als erste "Demo" überhaupt ansehen kann.

Der gebürtige Frankfurter Walter Ruttmann gilt als einer der bedeutensten Filmemacher der 1920er Jahre. Er schuf nicht nur den ersten abendfüllenden Tonfilm, sondern gilt auch als Wegbereiter des Hörspiels. Sein Gespür für Formen und Farben in Kombination mit dem Rhythmus von Musik ist es zu verdanken, dass er einige der künstlerisch interessantesten und wertvollsten Werke der frühen Filmgeschichte geschaffen hat. In einer Zeit, als das Medium Film noch in den Kinderschuhen steckte, suchte Ruttmann bereits nach neuen Möglichkeiten der Inszenierung. Mit seiner Lichtspielreihe Opus I-IV gelang es ihm, künsterlisch und visuell andersartige Werke zu schaffen. Mithilfe farblich unterschiedlicher Schablonen zauberte er "Effekte" aus dem Lichtfilmprojektor, die man in dieser Form nie zuvor gesehen hat.



Von Morphing, Rasterbars und Twistern
Was man heutzutage unter dem Begriff Flüssigkeitssimulation führen würde, zeigte er beispielsweise in seinem Lichtspiel Opus I aus dem Jahre 1921. Er zoomt ausgefüllte, einfarbige Kreise heran, dunkelt gekonnt verschiedene Stelle von eben jenen ab, um sie dann wie flüssige Tropfen über die Leinwand zu bewegen. Unterlegt mit passender Streichermusik ergibt sich so ein, für die damalige Zeit, völlig neuartiges Erlebnis. Vielleicht inspiriert von seinem, ebenfalls 1921 entstandenen Lichtspiel Opus II, zeigen sich beispielsweise die 4k Intros Dawnglare von Traction, sowie 4096: Electric Space Odyssey, die Gemeinschaftsproduktion von den Gruppen Keyboarders und Youth Uprising, aus dem Jahr 2011. Hier meint man zu Beginn einen Planeten zu betrachten, der anschließend mit dunklen Wolken überzogen wird. Etwa ab der Mitte des knapp vier Minuten langen Films begutachtet man dann längliche Quader, die sich in die aus Opus I bekannten Tropfen verformen. Auch hier passt sich die Musik optimal den gezeigten Szenen an, wobei die Originalmusik leider nicht mehr rekonstruiert werden konnte. Joachim Bärenz schrieb 2008 ein neues Klavierstück, welches den Film untermalt.

Quadrate und Rechtecke sind es schließlich, denen Walter Ruttmann drei Jahre später in seinem Lichtspiel Opus III Raum zur Entfaltung bietet. Er schichtet gleich mehrere davon übereinander, lässt sie flüssig ins Bild rauschen, spielt raffiniert mit der Beleuchtung und erzeugt so ein Meer aus Balken, das an manchen Stellen fast wie ein Musikequalizer wirken. Sensationell ist vor allem der Twister-Effekt, der ab der zweiten Minute eingespielt wird und selbst in all den Amiga- und C64-Demos aus den frühen 1990er Jahren einen starken Eindruck hinterlassen würde. 1925 beendete er seine Lichtspielreihe schließlich mit Opus IV. Das letzte Werk erinnert in Sachen visueller Kunst vor allem an schwarz/weiße Rasterbars und auf- und zuklappende Rolläden, ehe ab der Mitte des Films ein Wandel hin ins Violette vollzogen wird und ein ellipsoider Tanz der Formen beginnt. Schade auch, dass hier ebenfalls ein neuer Soundtrack komponiert wurde, der reichlich modern wirkt und in dieser Form wohl nicht annähernd dem Original gerecht wird. Nichtsdestotrotz bleibt auch hier zu sagen, dass Walter Ruttmann ein exzellenter Visionär und Querdenker war, der den künstlerischen und technischen Fortschritt im Film vorangetrieben hat.

Alle vier Teile der Opus-Lichtspielreihe von Walter Ruttmann sind auf YouTube zu finden:


Lichtspiel Opus I (1921)


Lichtspiel Opus II (1921)


Lichtspiel Opus III (1924)


Lichtspiel Opus IV (1925)


(Bobic, 24.03.2012)


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