236 - Evoke 2012: Köln wie es singt, lacht und Computerkunst lebt! (.de)

Bobic, Wed 15 Aug 2012

Evoke 2012: Köln wie es singt, lacht und Computerkunst lebt!

Die Evoke in Köln. Das war meine Party. Die beste von allen, und zwar Jahr für Jahr. Nirgendwo sonst bin ich lieber hingefahren. Ich habe diese Szeneveranstaltung geliebt, die tolle, familiäre Atmosphäre stets genossen. Mich mit Freunden getroffen, geplaudert, gelacht und mit ihnen zusammen vor dem Bigscreen faszinierende Demos, Intros, Grafiken und Musik genossen. Stoff aus dieser herrlichen Welt der Computerkunst, der ich seit mehr als 20 Jahren verfallen bin.



Ich, das ist der typische Demoszene-Fan-Boy. Seit Anbeginn meiner Leidenschaft für diese Mischung aus beeindruckenden Effekten in Echtzeit, Musik und kreativen Designideen, verneige ich mich vor den Künstlern, die diese wundervollen Werke erschaffen. Für mich sind sie Superstars. Begnadete Programmierer, Grafiker und Musiker, die mich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit ihren Produktionen erfreuen. Es ist in etwa mit einem Auftritt von Justin Bieber zu vergleichen, bei dem hunderte junger Mädchen in Ohnmacht fallen. Mit meinen inzwischen 37 Lenzen vergöttere ich diese kreativen Seelen immer noch. Die Smashs, Chaos, Navis, Loaderrors, Kieros, Chromags, Glooms und wie sie alle heißen mögen. Dennoch bin ich mittlerweile in einer anderen Welt angekommen. In der Zeit von Bobic 2.0.

Echtzeit-Leben
Denn ich habe inzwischen Kinder. Drei an der Zahl. Noch nicht allzu groß. Ich liebe meine Familie, versuche jede freie Sekunde mit ihnen zu verbringen. Sie vervollständigen mich, sind meine Inspirationsquelle. Wir erfinden unsere eigenen Geschichten, erzählen uns von der allwissenden Eule Uttl, von schwarzen Socken die zum Regenbogen laufen, vom Papierwichtel Schnippsi und vielen anderen lustigen Gestalten. Das ist eben das Leben in Echtzeit. Die Kids sind auch der Grund warum ich inzwischen zum "Sofa-Scener" geworden bin. Anstatt zu Ostern auf eine Party zu fahren, suche ich lieber mit ihnen nach bunten Eiern. Im August, zur Ferienzeit, lasse ich sogar die Evoke sausen.

Seit mittlerweile zwei Jahren war ich nicht mehr dort und es stimmt mich eigentlich ein klein wenig traurig. Aber es gibt nun Mal wichtigeres im Leben. Außerdem ist für Menschen wie mich ja noch ein Hintertürchen offen. Nämlich die des schnellen Internets und des Video-Streams. Dank SceneSat habe ich die wichtigen Competitions der Evoke 2012 nicht verpasst. Mein Notebook ist jetzt das Tor zur Demo-Welt. Ich konnte die tolle Stimmung in Köln live miterleben, habe mich mit dem Publikum dort gefreut, wurde mehr als nur einmal überrascht, saß staunend vor dem Bildschirm und fühlte mich ein ganz klein wenig wie ein Teil von den echten Besuchern. Dafür möchte ich an dieser Stelle nicht nur Ziphoid und m0d von SceneSat Radio danken, die mich prächtig unterhalten haben, sondern auch der gesamten Evoke-Crew, angefangen von Tobi und Poti, über Pandur und alle anderen. Ihr macht eine der besten Demo-Partys der Welt und selbst wenn ich zu Hause bin weiß ich, wie schön es bei euch ist.


Evoke 2012 Invitation Demo.


Von Newcomern und ungewöhnlichen Plattformen
Doch genug des Geschwafels. Lasst uns endlich über das reden, was es auf der Evoke 2012 in audiovisueller Form gegeben hat. Das war eine ganze Menge, obwohl doch gerade erst vor einer Woche die gigantisch große Assembly 2012 zu Ende gegangen ist. Zwar gab es nur drei 64k Intros und je fünf Beiträge bei den Demos und 4k Intros. Ein paar feine Releases waren aber durchaus darunter. Bärenstark war hingegen die Sparte der "Alternative Demos" besetzt, bei denen auf, zum Teil recht seltsamen und seltenen Plattformen, die Demokunst zelebriert wurde. Überraschanderweise tummelte sich viel frisches Blut im Teilnehmerfeld, was sehr erfreulich ist. Einige der "Neuen" zeigten dabei so viel Potential, dass sie sich berechtigte Hoffnungen auf den "Breakthrough Perfomance"-Preis, der Auszeichnung für den besten Newcomer, bei den nächsten Scene.org Awards machen dürfen.

Die folgende Release-Übersicht beinhaltet die Produktionen von der Evoke 2012, die uns am besten gefallen haben.


1. Platz, Alternative Demo: Metamerism / Bauknecht & TEK (Demo für Commodore Plus/4)

Eine Demo für den Commodore Plus/4. Der Kaiser Nero regierte Rom für 14 Jahre lang. Er war ein mächtiger Mann. Im Jahr 2012 ist Nero nach wie vor an der Macht. Als Spezialist und Genie in Sachen Computergrafik. Seit vielen, vielen Jahren malt er faszinierende Bilder, zeigt sein Können aber aktuell auf einem ziemlich alten System: Dem Commodore Plus/4. Metamerism ist der Name der neuesten Demo von Bauknecht und TEK, für die Nero eine Unmenge an feinen Bildern und Logos beigesteuert hat. Es ist mit sein Verdienst, dass man sich an diesem Werk nicht sattsehen kann, denn die Grafikpracht sucht ihresgleichen und erzeugt immer wieder Erstaunen, was auf dieser Kiste alles möglich ist. Eine gute Demo lebt aber natürlich nicht nur von angezeigten Bildern, sondern auch von Bewegung, von Technik, von Code, sprich: Effekten. Und auch hier spart Metamerism nicht mit Sensationen. Zoomer, Twister, Rasterbars, versehen mit herrlichen Farben und erzeugt mit Erster-Sahne-Code. Ein unglaubliches Schauspiel, bei dem leider die Musik drastisch abfällt. Dennoch die beste Demo (plattformübergreifend!) von der Evoke 2012!


2. Platz, Alternative Demo: *Finally* / Titan (Demo für WonderSwan Color)

Achtung, hier kommt ein Novum! Die erste "richtige" Demo für den WonderSwan Color, einem Handheld, das in Japan dem guten, alten Gameboy Konkurrenz machte. Die Jungs von Titan haben sich mächtig ins Zeug gelegt und mit *Finally* eine Demo produziert, die vor Oldskool-Flavour, Top-Musik und feschen Grafiken nur so sprüht. Da höeren wir beim melodischen Chiptune-Track eine fetzige Vocoder-Stimme, erfreuen uns an einem Twister, genießen die Robotergrafik von Alien^PDX und staunen später über einen marschierenden 3D-Robbi. Vor allem das Gesamtbild dieses Werks ist allererste Sahne mit tollem Design und hervorragendem audiovisuellen Content. Bitte mehr davon!


3. Platz, Alternative Demo: The Noiseplug / Shack (Custom made Hardware)

In der Demoszene sorgt der schwedische Hardware-Bastler LFT seit Jahren für Aufsehen. Er baut sich seine Hardware selbst zusammen, nimmt beispielsweise einen Chip aus einer Waschmaschine und programmiert dafür richtig gute Demos im Oldschool-Stil. Shack machen es ihm mit ihrem ersten Werk innerhalb der Demoszene nach. Sie brauchen nur ein paar Kabel und einen Atmel ATtiny9 Chip und nutzen diesen Winzling zum Abspielen von sensationell guter Chiptune-Musik. Ein tolle Idee, umgesetzt mit toller Selfmade-Hardware und einem noch tolleren Sound. Da geht die Post ab!



1. Platz, Demo: 70s / Alcatraz (WebGL-Demo)

Oh mein Gott! Es ist WebGL, es sieht hinreißend aus, und es ist irgendwie eine Mischung aus The Popular Demo und Flower-Power-Hippie-Zeit. Dieses 70s, was uns Alcatraz hier auftischen, ist die vielleicht beste Browser-Demo bislang. Zu groovigen Klängen tanzt ein Androidenmädel in unnachahmlicher Art, während rings um sie herum bunte Blumen schweben. Die Musik weckt dabei Erinnerungen an die gute, alte Zeit. Doch wie die Optik, so schlägt auch musikalisch die Richtung deutlich in die Moderne um. Zum typischen Flötengedudel der 1970er Jahre gesellen sich treibende Beats, Dubstep-Einlagen und jede Menge Rasanz und Kawumm. Hier hat sich Keito selbst übertroffen und macht sich engültig unsterblich in der Demoszene. Auf Seiten der Effekte geht es immer wieder mal weg vom bunten, alten Zeugs, hin zu modernen Kreiselspielen und einem detailliert gestalteten Gesicht. Großes Blumenkind-Krawall-Kino, was Alcatraz hier abbrennen.


2. Platz, Demo: Väre / Brainstorm (Windows)

So könnte man sich ein Fest der Feen vorstellen. Alles glitzert und glimmert, während Pixelgroße Feen schillernde Streifen hinter sich herziehen und ein wunderbares Licht- und Linienspiel in bunten Farben in den Nachthimmel malen. Dabei beginnt das Liniengewirr so zittrig, so zerfahren. Väre erinnert in der ersten Szene an das krakelige Gemale eines Kleinkindes, verwandelt sich aber nach und nach in eine minimalistische, atmosphärische Schönheit. Einen Großteil der Stimmung erzeugt dabei die Musik. Mit sphärischen Klängen betont sie den Tanz der kleinen Flatterwesen perfekt. Tinkerbell wäre stolz auf das, was Preacher und Kevod hier geschaffen haben.


3. Platz, Demo: Exordium / Rupture (Windows)

Rupture fackeln nicht lange. Von der ersten Sekunde an, donnern sie los. Mit einem Foto, das in hunderte einzelner Würfel zerspringt, gefolgt von einer Figur, die in einem beeindruckenden Partikelwirbel zerfließt. Und die Musik passt. Sie schmettert gut mit, hat den nötigen elektronischen Firlefanz drin um perfekten Demostyle zu vermitteln. Ja, die Demo Exordium beeindruckt gleich und man merkt, mit wieviel Spaß die Jungs - Newcomer in der Szene, denn Exordium ist ihr Erstlingswerk - bei der Sache sind und wieviel Talent hier drin steckt. Denn wer sich einfach mal so von Fairlight inspiriert zeigt (Partikel) und anschließend einen fetzigen Flug durch zerklüftete Mandelbulb-3D-Fraktalwelten zeigt (Hallo, Fulcrum!), der muss sich hinter niemanden verstecken. Der einzige wirkliche Kritikpunkt ist, dass die Szenen arg aneinandergestückelt wirken. Das passt nicht immer. Für Demo Nr. 2 von Rupture wünschen wir uns ein beständigeres Design, und das gleiche Feuer, das schon hier brennt.


1. Platz, 4k Intro: ZUCKZ! / T.R.S.I. (Windows)

Virgill! Endlich ist er zurück in der Szene. Viele Jahre hat der Musikgott nun schon pausiert, nun meldet er sich mit 4Klang-Sound im Echtzeit-Vergnügungssektor zurück. Er enttäuscht nicht. Die Musik in ZUCKZ! klingt gut, hat ein paar wirklich schöne Passagen aufzuweisen. Aber man muss auch gestehen, dass er schon besser war. Gleiches gilt für seinen Duett-Partner am Keyboard, für Hardy, den Programmierer dieses Werks. Auch er hat schon bessere Arbeiten abgeliefert. Dennoch hat ZUCKZ! Stil. Forwährend zoomt und rotiert man in eine Kugel hinein, die im Inneren wie eine moderne Art von Spikeball aussieht. Das passiert in diversen Farbtönen und wiederholt sich ein paar Mal zu oft. Gut isses dennoch.

Update 19.08.2012: Inzwischen hat Hardy, der Coder dieser Intro, eine "Final version" veröffentlicht. Diese überarbeitete Fassung beinhaltet mehr Effekte als die auf der Party gezeigte Version, wurde hier und da etwas poliert und wirkt nun deutlich stimmiger, abwechslungsreicher und beeindruckender als zuvor. Saubere Arbeit und jetzt ein wirklich verdienter 1. Platz! Im Download-Archiv ist sowohl die Party, als auch die finale Version enthalten. Das verlinkte YT-Video zeigt jetzt die neue, überarbeitete Fassung.


2. Platz, 4k Intro: Enlighten / BlueFlame (Windows)

Willkommen im Spiegelkabinett von Dr. BluFlame. In der imposant dargestellten Kolben- und Tunnelwelt des Herrn Professor gibt es immer irgendwo ein Objekt, das das Geschehen drumherum spiegelt und von einer herumsurrenden Lichtquelle optisch beeindruckend angestrahlt wird. Zwar mögen Objekt- und Szenendesign nur oft gesehenes wiedergeben, das dafür von seiner schönsten technischen Seite. Und sogar die Musik weiß durchaus zu gefallen. Vielleicht hat uns Enlighten nicht vollständig erleuchtet. Es zählt aber definitiv zu den bislang besten 4k Intros des Jahres 2012.



1. Platz, 64k Intro: Undercut / Inque (Windows)

Rosa und Lila! Warum ausgerechnet diese Farben? Genau das haben wir uns gefragt, nachdem wir die 64k Intro Undercut auf uns haben wirken lassen. Diese beiden Farbtöne ziehen sich durch alle Szenen und verursachen bei uns einfach nur verständnisloses Kopfschütteln. Genau wie der permanent schwarze Hintergrund, vor dem sich ein paar ansehnliche Effekte räkeln. Es fehlt der grafische Feinschliff, ein bisschen Pepp im Hintergrund. Dennoch ist Undercut in unserem Download-Archiv vorzufinden, und der Grund ist nicht der, dass dieses Werk den 64k Intro Wettbewerb der Evoke 2012 gewonnen hat. Vielmehr ist es dieser tolle Effekt am Ende. Dort schälen sich aus den Rändern eines rechteckigen Objekts kleiner Quader, was einfach interessant anzusehen ist. Genau wie der Flug durch ein Höhlensystem, der mit rasanten Kameraschwenks für Stimmung pur sorgt. Ja, wir sind wieder versöhnlich gestimmt!


(Bobic, 15.08.2012)


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