Paula Agnus Denise (CD-Review)
Es war gegen Ende der 1980er Jahre. David Bowie hat soeben ein neues Album veröffentlicht, Tom Cruise stürmt mit seinem aktuellen Streifen die Kinocharts und bei BMW ist die 3er-Reihe das Zugpferd Nummer Eins. Aus den heimischen Computer-Lautsprechern dröhnt Musik von Chris Hülsbeck, Allister Brimble oder Tim Wright. Heute, im Jahr 2013, ist eigentlich alles wie damals. Bowie ist zurück, Cruise lächelt den Zuschauern aus dem Weltraum entgegen, die 3er-Modelle geben immer noch Vollgas, während Hülsbeck und Co. besser klingen denn je. Der einzige Unterschied: Deren Musik kommt nicht mehr aus dem Paula-Chip des Amigas, sondern von CD. In frischer Form auf der aktuellen Remix-CD Paula Agnus Denise, in die wir reingehört haben.
Eigentlich sollte sich das große Gähnen breit machen. Schon wieder ein neues Album mit Remixen aus der Amiga-Spielewelt. Genug haben wir davon schon gesehen und gehört, mit den herausragenden Werken der Immortal-Reihe als unübertreffbaren Höhepunkt (siehe Reviews zu Immortal 3 und Immortal 4). Wo liegt der Sinn, einen weiteren Sampler unters Volk zu bringen, noch dazu in einer Zeit, wo etwa Chris Hülsbeck und Allister Brimble mit erfolgreichen Kickstarter-Projekten in Kürze eigene CDs auf den Markt bringen werden? Dazu benötigt es schon eine Menge Mut.
Nostalgische Gefühle
Doch ist die Antwort so kurz wie einleuchtend: Legendäre Musik. Die Melodien aus den Amiga-Spieleklassikern sind einfach zeitlos schön. Das Thema aus Turrican, die fetzigen Klänge eines Xenon 2 Megablast, Pinball Dreams mit seinen fantastischen Variationen. Und natürlich die Shadow of the Beast Trilogie samt ihrer atmosphärischen Klangkunst. Wer schon die Originalmusik aus seinem alten Commodore 1081 Monitor vernommen hat, verfällt nach den ersten Tönen sofort wieder dem Zauber dieser wundervollen Melodien, die natürlich auch Paula Agnus Denise (PAD) vorzuweisen hat – so ausgelutscht das Konzept zu Beginn auch wirken mag.
Die von Ronald van Dijk zusammengestellte CD, deren Name sich aus den drei Spezialchips der „Freundin“ zusammensetzt (Paula = Sound, Agnus = Speicher, Denise = Grafik), beschreitet allerdings einen etwas anderen Weg als beispielsweise die große Immortal-Reihe. Während letztere auf Neukompositionen der Original Musiker baut, sind es auf PAD in erster Linie mehr oder weniger bekannte Remix-Künstler, welche den herrlichen Tracks einen frischen Anstrich geben. XXX ist dabei einer der großen Namen. Er stellt mit seinem „Orchestra Remix“ des Titelthemas aus dem ersten Shadow of the Beast eines der unumstrittenen Highlights, unterhält aber auch die Synthpop-Anhänger mit seiner Interpretation des Lotus 2 Theme. Char7ie hingegen nahm sich Pinball Dreams zur Brust. Auch hier unterhält das Endresultat auf hohem Niveau.
Neues vom Recycling-Hof
Der Haken an der Sache ist allerdings, dass es diese Remixe schon seit längerem kostenlos im Netz gibt. Sowohl die Tracks von XXX, als auch Char7ies Pinball-Dreams-Remix tummeln sich auf der beliebten Seite von Amiga Remix. Dunkle Schatten also, die über diesem Projekt schweben, wobei sich das Recycling noch fortsetzt. Auf PAD wird natürlich auch mit Musik von Chris Hülsbeck und Allister Brimble geworben, was auch Sinn macht. Immerhin handelt es sich bei den Beiden um zwei der begnadetsten und populärsten Spielemusiker aus der Amiga-Ära. Doch sowohl Hülsbecks Apidya-Theme, als auch die von ihm komponierte Neuinterpretation des Main Theme aus Turrican 3 waren schon auf Immortal 3, beziehungsweise auf seinem bereits 1993 erschienenen Turrican-Soundtrack-Album zu finden. Die 2012er Version von Alien Breed steht ebenfalls kostenlos auf Amiga Remix zum Download bereit, was natürlich auch auf Project-X zutrifft. Und es geht noch weiter. Ron Klaren und seine brillante Musik aus Battle Squadron trifft man auf Immortal 2 wieder.
Neun von 19 Tracks sind also nichts weiter als olle Kamellen. Gute zwar, aber von einem solch hübsch verpackten Sampler hätte man definitiv mehr erwartet. Immerhin wird im zwölfseitigen Booklet auf Klarens Auftritt auf Immortal 2 hingewiesen. Dass die anderen Stücke frei im Netz, beziehungsweise anderen Silberscheiben zu finden sind, wird verschwiegen. Aber gut, immerhin prangt ein Aufkleber auf dem Cover, dass es sich hier um eine Art "Best of Amiga- und CD32 Video Game Music" CD handelt, also nicht wirklich etwas Neues. Das kann man zumindest teilweise als Entschuldigung gelten lassen.